Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist

von Nadine Olonetzky

 

S. Fischer Verlag, 2024

ISBN 978-3-10-397590-1

 

«Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist» erzählt unsentimental und poetisch davon, wie man Verlust nicht wiedergutmachen, aber behutsam sichtbar machen kann.

 

«Dass ich diese Geschichte erzählen kann, verdanke ich der Ausdauer meines Vaters. 1943 gelang ihm die Flucht vor den Nationalsozialisten in die Schweiz. Sieben Jahre später begann er mit den Geschwistern, die auch überlebt hatten, mit dem sogenannten «Landesamt für die Wiedergutmachung» um Entschädigung zu kämpfen. Sie kämpften 24 Jahre lang. Das wusste ich nicht. 

Nur ein einziges Mal erzählte er mir von seiner Flucht und der Ermordung seines Vaters und seiner Schwester. Und dass alle Dinge, mit denen sie gelebt hatten, vernichtet waren. Alle außer einer kleinen Fotografie, die heute in meinem Schreibtisch liegt.

Viele Fragen blieben offen.

 

In diesem Buch erzähle ich von den Antworten, die ich fand. Und von den Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Ich erzähle davon, wie sich das Geschehene auf die Überlebenden, auf unsere Familie und auf meine Kindheit auswirkte und welche Rolle die Fotografie in unserem Leben bekam. 

Mein Vater wurde nach seiner Flucht Grafiker und ein talentierter Hobbyfotograf. Alle lieben die Fotografie ja dafür, dass sie im Familienalltag oder Freundeskreis das Glück verewigen kann. Doch die Fotografie hatte für ihn noch eine weitere Bedeutung: Nachdem er alles verloren hatte, hielt er alles fest – Menschen, Landschaften, Dinge. Er musste alles in ein Bild verwandeln – in ein Ding, das blieb. Ihm schien alles, so empfinde ich es heute, besonders fragil, bloß die Reflexion eines im Luftzug zitternden Lichts zu sein. Jeden Augenblick konnte sich alles ändern. Diese Dringlichkeit dringt zu mir durch, wenn ich die Bilder, die nach dem Krieg entstanden, heute betrachte. Es sind die ersten Fotos, die er von meiner Mutter machte, und dann die Familienbilder, die er zu Alben band. 

Mein Onkel, der Bruder meines Vaters, der Mitte der 1930er-Jahre und früh genug, wie es immer hiess, ins damalige Palästina floh, wurde in Israel ein angesehener Fotograf. Mein Bruder ist als Fotograf tätig, ich selbst schreibe seit 30 Jahren über Fotografie und habe viele Fotobücher herausgegeben: die Fotografie bekam offensichtlich für mehrere Familienmitglieder eine grosse Bedeutung. Während ich von den Jahren in der Nazi-Diktatur erzähle, in denen mein Vater Zwangsarbeit leisten musste, mein Grossvater und meine Tante ermordet wurden und mein Vater dann fliehen konnte, denke ich in dem Buch auch über die Bedeutung der Fotografie nach. Mit einem Tagebuch und den Fotoalben, die mein Vater nach seiner Flucht zusammenzustellen begann, nimmt die Geschichte deshalb ihren Anfang. 

Und: Mein kleiner Garten, in dem die Jahreszeiten kommen, gehen und wiederkommen, ist für alle da, die diese Geschichte lesen.»

 

- Nadine Olonetzky, März 2024

 

Mehr Informationen sowie aktuelle Veranstaltungen zur Publikation finden Sie beim S. Fischer Verlag.

CAS in Theory and History of Photography an der Universität Zürich

Das berufsbegleitende Weiterbildungsprogramm CAS in Theory and History of Photography beschäftigt sich mit der kulturgeschichtlichen Bedeutung der Fotografie von ihren Anfängen bis in die globalisierte Gegenwart. Schwerpunkte bilden Fotografien in Gesellschaft und Politik, in nationalen und transkulturellen Diskursen und im Museum sowie fotografische Bilder und Verfahren in wissenschaftlichen Theorien und Praktiken.

Als Teilnehmer*in an der Weiterbildung gewinnen Sie ein vertieftes Verständnis des Mediums Fotografie aus theoretischer, kunst- und medienhistorischer Perspektive.

 

Auf der Wissens-, Forschungs- und Erfahrungs-grundlage eines seit über zehn Jahren betriebenen Programms der internationalen Lehre und Forschung zur Theorie und Geschichte der Fotografie an der Universität Zürich werden folgende Kenntnisse vermittelt:

  • die Theorie und globale Geschichte des Mediums Fotografie in seinen analogen und digitalen Ausformungen
  • die fotografische Bildlichkeit in ihren ästhetischen, wissenschaftlichen und kulturhistorischen Zusammenhängen
  • den künstlerischen, politischen und nicht zuletzt ethischen Umgang mit Fotografien

 

Lernziele:
Das Programm ermöglicht ein intensives theoretisches, historisches wie praxisorientiertes Studium des Bildmediums Fotografie:
Als Teilnehmer*in erweitern Sie Ihre Recherchekompetenzen im Bereich der Fotografie und setzen sich mit fotografischen Theoriediskursen kritisch auseinander. Sie lernen Fotografien als visuelle und künstlerische Objekte zu analysieren und zu beschreiben und dabei das Verhältnis von Technik-, Material- und Ideengeschichte des Bildes zu berücksichtigen. Das Bildmedium Fotografie steht im Verhältnis zu sozialen und politischen Diskursen und im Kontext von Ausstellungen, Museen, Kunsthandel und öffentlichen Medien.

 

Das Weiterbildungsprogramm ist auf folgende Lernziele ausgerichtet:

  • Als Absolvent*in können Sie Strategien zur Erschliessung eines fotografischen Werkes in Museen, Archiven und Sammlungen entwickeln.
  • Sie können Ideen für die Aufarbeitung einer historischen Sammlung oder die Konzeption einer Ausstellung formulieren.
  • Sie können Bilder als politische Konzepte und als Träger gesellschaftsrelevanter Botschaften einordnen.
  • Sie begreifen fotografische Bilder als aktive gesellschaftsprägende Kommunikationsform und nicht allein als historische Zeugnisse und Illustrationen.

 

Weitere Informationen zum CAS und Anmeldeprozess finden Sie auf der Webseite des Weiterbildungsprogramms: www.cas-photography.ch/de/

Survey Practices and Landscape Photography Across the Globe

Dieser Sammelband befasst sich mit der Frage, inwiefern die (sichtbare und unsichtbare) Landschaft für die Gestaltung von Orten, die koloniale Besiedlung und die Identitätsbildung von grundlegender Bedeutung ist. Gemeinsam kartieren die Autoren des Buches eine Konstellation ineinandergreifender fotografischer Geschichten und Vermessungspraktiken und dezentrieren Europa als Ursprung der kamerabasierten Überwachung. Der Band zeichnet ein Gespräch über Kontinente hinweg auf - er verbindet Europa, Afrika, die arabische Welt, Asien und Amerika. 

Herausgegeben von Sophie Junge und Erin Hyde Nolan. Routledge, Dezember 2022.

Cabaret Bizarre

Ein intimer Blick hinter die Kulissen des Cabaret Bizarre.

Ein aufwändiger Fotoband mit aussergewöhnlichem Layout und einem Text von X Schneeberger.

Erschienen im Christoph Merian Verlag im Oktober 2022.